Missbrauch der Psychiatrie in Hessen
Der Psychiater Thomas H. hat im Auftrag der Hessischen Finanzbehörde in den Räumen des hessischen Versorgungsamtes bei mehreren bis dahin äußerst erfolgreichen Steuerfahndern auf Dauer Dienstunfähigkeit festgestellt, weil sie an einer „erheblichen Anpassungsstörung“ litten. Der Gutachten wurde mittlerweile zu einer Geldstrafe wegen Ausstellens eines Gefälligkeitsgutachtens verurteilt. Die betroffenen Finanzbeamten haben ihren Arbeitsplatz verloren, ihre Lebensperspektive ist erheblich beeinträchtigt. Eine Rehabilitierung ist bisher nicht erfolgt.
Wir meinen: Es handelt sich hier um einen klaren Fall von Missbrauch der Medizin, konkret der Psychiatrie zu Gunsten der Staatsmacht: Der Psychiater handelte entweder aus Inkompetenz oder bewusst gegen die Interessen des von ihm zu Begutachtenden und im Interesse des Auftraggebers also des Zahlenden.
Schon 1986 forderte der Weltärztebund zu Recht: ...“berufliche Freiheit heißt, staatliche Prioritäten außer Acht zu lassen.“ Das heißt, dass die ärztliche Verantwortung gegenüber den Patienten Priorität hat vor der Loyalität mit dem Staat. Dieses Prinzip ist zu verteidigen.
Ärzte haben – im Vergleich zu anderen Berufen – besonders große Nähe zu den ihnen anvertrauten Menschen. Die Patientinnen und Patienten vertrauen ihnen in der Erwartung umfassender Verschwiegenheit Intimstes an. Diese Konstellation bedeutet Macht und damit auch das Risiko des Machtmissbrauchs. Ärztinnen und Ärzte sind auch durch ihre Ausbildung und tägliche Praxis in der Lage und gewohnt, nicht nur die körperliche, sondern auch mittels psychologisch-psychiatrischer Techniken die psychische Integrität zu verletzen. Deshalb müssen sie besonders sensibel für jegliche Form des Missbrauchs dieser Kompetenz sein – auch und gerade gegenüber ihrer eigenen Praxis. Denn sie können auch psychisch Gesunde für krank erklären und damit evtl. deren Leben zerstören. Nicht nur durch Ärztinnen und Ärzte selbst sind Patienten gefährdet sondern durch staatliche Institutionen, die zur Erreichung ihrer Ziele Ärztinnen und Ärzte zum Missbrauch ihrer Macht verleiten oder gar zwingen.
Die Erkenntnis über diese Zusammenhänge hat schon vor mehr als 2000 Jahren Eingang in den so genannten Hippokratischen Eid gefunden mit der Kernaussage: Nihil nocere – niemals Schaden zufügen. Seit jeher wurde dieses Prinzip nicht nur als Mahnung oder Richtschnur für ärztliches Handeln, sondern als bindende Verpflichtung im Sinne eines Eides verstanden.
Die Psychiatrisierung politisch Andersdenkender oder allgemein kritischer Menschen zum Zwecke der Ausschaltung aus dem öffentliche Leben war bisher nur Praxis in der Sowjetunion und anderen demokratiefernen Staaten.
Dass jetzt auch in Hessen, ohne Folgen für die Verantwortlichen, klassischer Missbrauch der Medizin betrieben wird, ist ein gravierender Vorgang, der an Clanwirtschaft oder autoritäre Regimes erinnert.
Wir begrüßen ausdrücklich die eindeutige Verurteilung des psychiatrischen Gutachters durch die Landesärztekammer Hessen und fordern eine lückenlose und sofortige Aufklärung der Hintergründe, eine angemessene Sanktionierung vor allem auch der Auftraggeber des ärztlichen Falschgutachtens und die Rehabilitierung der Geschädigten in vollem Umfang.
Dr. Winfried Beck
Mitglied des erweiterten Vorstands des vdää http://www.vdaeae.de/index.php