»Es kann jede soziale Bewegung treffen«

Klimaschutzaktivisten sitzen in Bayern in »Präventivhaft«. Staat verschärft Repression gegen Linke. Ein Gespräch mit Münir Derventli

Interview: Henning von Stoltzenberg

Münir Derventli ist Aktivist der Roten Hilfe München

Anfang November wurde nach Straßenblockaden eine 30tägige sogenannte Präventivhaft gegen Klimaschutzaktivistinnen und -aktivisten verhängt. Was genau wird den Betroffenen vorgeworfen?

Die Mitglieder der Gruppe »Letzte Generation« hatten am 3. November zweimal eine Hauptverkehrsader in der Münchner Innenstadt mit Sitzstreiks blockiert und dadurch den Verkehr behindert. Sie kündigten danach an, die Aktion zu wiederholen.

Das klingt nach einer Bagatelle. Warum diese drastische polizeiliche Maßnahme?

Einfach gesagt: Weil sie es können. Genau vor solchen Möglichkeiten hatten die Kritikerinnen und Kritiker des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes gewarnt. Wie üblich werden die Gesetzesverschärfungen mit krassen Fällen begründet: Es gehe dabei um den Kampf gegen Terrorismus oder Kindesmissbrauch. Aber im Alltag werden die Maßnahmen dann gegen jegliche Formen des sozialen Widerstands und Protestes eingesetzt. Dass das bei uns in Bayern mit der CSU-Regierung schärfer ausfällt als in anderen Bundesländer, ist keine neue Entwicklung. Mit dem Verweis auf eine »drohende Gefahr« können Aktivistinnen und Aktivisten nun inhaftiert werden, bevor eine vermeintliche Straftat überhaupt stattgefunden hat – in diesem Fall wegen der Ankündigung, eine gewaltfreie Sitzblockade zu wiederholen. Das ist schon ein starkes Stück.

Andererseits zeigt diese Maßnahme auch die Hilflosigkeit der Herrschenden bei der Frage, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Immer mehr Menschen sind der Meinung, dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, ernsthaft gegen den Klimawandel vorzugehen – nicht zuletzt auch deshalb, weil er durch ihn verursacht wurde. In der Folge wächst die Bereitschaft, selbst aktiv zu werden und auch radikalere Aktionsformen zu erproben. Das kann den Herrschenden nicht gefallen. Vor allem sehen sie das Risiko, dass die Klimagerechtigkeitsbewegung zunehmend den Kapitalismus als Ganzes in Frage stellen könnte.

Überrascht Sie dieses Vorgehen der Justiz? Hat es so etwas bereits in der Vergangenheit gegeben?

Uns erstaunt, dass das Gericht dieser Maßnahme zugestimmt hat, ohne zumindest kosmetische Abschwächungen vorzunehmen. Es hat die Entscheidung einfach abgenickt. Wenn wir uns allerdings anschauen, dass gewisse Politikerinnen und Politiker sowie zahlreiche Medien in der letzten Zeit enorm gegen Teile der Klimabewegung gehetzt haben, war absehbar, dass die Repression verstärkt würde.

In der Vergangenheit gab es vergleichbare Fälle, allerdings waren davon Geflüchtete betroffen. Sie wurden zum Beispiel in Unterbindungsgewahrsam genommen und von dort aus abgeschoben. Erst hat es möglichst still und leise die eine unerwünschte soziale Gruppe getroffen, jetzt wird die Maßnahme auf öffentliche soziale Proteste ausgeweitet. Die Reaktionen auf diesen Versuch, den Einsatz eines derartigen Repressionsinstruments zu normalisieren, müssen laut und deutlich sein.

Wie kann man den Betroffenen zur Seite stehen?

Generell unterstützen wir von der Roten Hilfe politisch Aktive, die wegen ihrer fortschrittlichen Arbeit Ärger mit dem Staat bekommen. Dabei vermitteln wir auch solidarische Anwältinnen und Anwälte, wenn das gewünscht ist. Wir ermutigen Betroffene, sich vor Gericht zu wehren. Unser Rat ist stets, zur Anklage die Aussage zu verweigern, nicht an der eigenen Verurteilung mitzuwirken, sondern politische Statements abzugeben.

Im konkreten Fall sind wir Teil der Protestbewegung und unterstützen die Inhaftierten nach unseren Möglichkeiten. Wir fordern, dass die Eingesperrten sofort freigelassen werden. Vielleicht noch ein kleiner Appell: Es ist nicht der Zeitpunkt, um über Sinn und Unsinn von Aktionsformen zu diskutieren und davon die konkrete Solidarität abhängig zu machen. Die Präventivhaft bedroht potentiell alle linken Aktivistinnen und Aktivisten. Es kann jede soziale Bewegung treffen – denken wir an die nächste Ankündigung, einen Naziaufmarsch zu blockieren oder einen sogenannten wilden Streik durchzuführen. Dieses Gesetz muss vom Tisch.

https://www.jungewelt.de/artikel/438898.einschr

Sabine Conti: Der neue Fisch in mir. Krebs - und ein anderes Leben beginnt
2022 / 106 S. / ISBN 978-394595965-7 / 14 Euro

Inhalt
Wie umgehen mit der Diagnose Brustkrebs? Zurück von einer stürmischen Schifffahrt im eisigen Polarmeer wird die Autorin durch die Diagnose Brustkrebs unvermittelt in einen Zustand der Schockstarre katapultiert, lässt ­alles passieren, will nichts wissen und beamt sich von ihrer Oberfläche weg in die Südsee ... Während sich die Corona-Pandemie wie ein Sandsturm über die sie umgebenden Gesichter im Krankenhaus legt, greift sie, allein im Wartezimmer, zu Pinsel und Stift und beschreibt in erschütternden ­Bildern ihre Gefühle und Krankheitsgeschichte.
Es ist ein einziges Warten: Warten auf Termine, Warten auf und nach ­Untersuchungen, Warten auf Ergebnisse. Ein tonloses Warten, da keine Begleitpersonen gestattet sind. „Nicht einmal ein Lächeln schwirrt mir zu. Ich sehe viele sorgenvolle, ängstliche, ruhelose, unsichere und auch einige sehr abgeklärte Augenpaare unter richtigen oder falschen Haaren, den seltsamen Beanies, Mützen und Schals. Der Rest ist Maske.“
Sie nimmt die Lesenden mit auf ihrer Reise nach außen und innen zu ­einer­ Gesamtschau an Bildern zu ihrer Erkrankung und Behandlung. Die sie umgebende Krankenhauswelt erscheint wie von einem anderen Planeten: Krankheit und rauen Gezeiten ausgeliefert, vorbei an lauernden Gefahren im Meer ihres Körpers findet sie festen Boden im Wald, beim Joggen mit ihrem Hund. Sie vertreibt die Schreckgespenster durch kreatives künstlerisches Schaffen und gewinnt ihren Lebensgeist, ihren Stolz, ihre Würde und Handlungsfähigkeit zurück.

Inhaltsverzeichnis
Vorworte / Sandsturm / Papierkram / Warten / Medizintechnik / Port / Haarvarie / Erster Chemotag / Where am I to go / Der Augenwald / Libido / Lebensgefährlich / Parallelwelt / Tanzende Füße/ Chemotag / Who is my skin? / Pille Palle / Panic Pillepalle

Zur Autorin
Sabine Conti geb. Joswig, erblickt 1963 in Freiburg i.Br. das Licht der Welt, verbringt ihre ersten Lebensjahre in Hinterzarten, im Hochschwarzwald nahe der Ravennaschlucht und dem Höllental. Sie begleitet ihren aus Micronesien stammenden Vater, Sohn eines Missionars auf ein Atoll in der Südsee.
Schon früh beginnt sie zu zeichnen und schreibt den ersten Comic als Schülerin, studiert später Architektur in Kassel, entwickelt das erste Nutzungskonzept des Gründerinnenzentrums Weiberwirtschaft e.G., engagiert sich in der Frauenbewegung, baut u.a. eine Kirche in der Südsee und ist seither als Architektin, Stadtentwicklerin und Klimaschutzmanagerin federführend an der Planung, Gründung und Umsetzung zahlreicher selbstverwalteter Wohnprojekte und -genossenschaften beteiligt.
2019 segelt sie in die Antarktis. 2021 wird bei ihr Brustkrebs diagnostiziert. Es folgt eine Chemobehandlung mit anschließender Antikörpertherapie. Im gleichen Jahr initiiert sie den Verein Schreckgespenster und Lebensgeister e.V.. und setzt sich künstlerisch mit der traumatischen Erfahrung Brustkrebs auseinander. Es entstehen zahlreiche Zeichnungen, die sie im Herbst 2021 in der Ausstellung „Der neue Fisch in mir“ präsentiert.
Sie wohnt in einem von ihr umgebauten Feriendorf in der Nähe von Kassel, hat einen Hund, einen Sohn und einen Mann, arbeitet wieder und befindet sich gern im Wald und auf dem Meer. 

29. Oktober 2022, 15 – 17 Uhr Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str.4

Es gibt mehr als ein Dutzend Psychiatrie-Museen im deutschsprachigen Raum, aber keine Sammlung entstand bisher aus der Perspektive der Betroffenen oder fußt auf ihrer Kompetenz. Hier betritt das „MAD_Museum Anderer Dinge“ Neuland. Am 29. Oktober 2022 findet im Haus der Demokratie die feierliche Eröffnung bzw. der Launch dieses Online-Museums statt.
 
Zu der Sammlung gehören u.a. eine Puppe, eine Nachtigall, ein Hammer, ein Papierkorb, Geldscheine, Kleidungsstücke, Fotos, aber auch ein Krankenbett, eine Spritze, ein Gerichtsbeschluss. Die Dinge sprechen nicht für sich. Im Mittelpunkt stehen die Geschichten derer, die sie besaßen, nutzten oder mit ihnen konfrontiert waren. Über die Sammlung hinaus bietet das „Museum Ander Dinge“ thematische Ausstellungen sowie persönliche „Streifzüge“ durch das Museum.
 
Die Museums-Stifter*innen waren zuvor Interviewpartner*innen in dem Forschungsprojekt „Ding-Bedeutungen in Krisen-, Verrücktheits- und Psychiatrie-Erfahrungen“. Gefördert wurde das Projekt vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung und im betroffenenkontrollierten Design an der Medizinischen Hochschule Brandenburg durchgeführt. In seinem Grußwort betont Mario Brandenburg,
Parlamentarische Staatssekretär des BMBF: „Das Projekt hat damit den Betroffenen selbst eine Stimme im Forschungsprozess gegeben. Es stellt auf beeindruckende Art unter Beweis, wie Wissenschaft nicht nur an und über Menschen forschen, sondern sie in den Prozess der Erkenntnisgewinnung selbst einbeziehen kann.“
 
Anlässlich der Eröffnung sprechen einige der Stifter*innen über die von ihnen eingebrachten Objekte. Das Team des „Museums Ander Dinge“ wird den wissenschaftlichen und aktivistischen Hintergrund des Projekts erläutern. So betont auch die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, die Notwendigkeit partizipativen Ausstellungsdesigns: „Wenn es darum geht, kreative Fähigkeiten zu entwickeln und Talente zu entfalten [kann] von gleichen Chancen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung noch keine Rede sein […]. Es braucht auch Akteure, die uns beispielhaft zeigen, wie eine inklusive Kulturarbeit ganz praktisch aussehen kann. In diesem Sinne danke ich dem Team um die Stifterinnen und Stifter für ihr Engagement.“
Das Museum wendet sich an alle, die Ver-rücktheit aus einem neuen Blickwinkel sehen wollen. Im Anschluss an die Beiträge gibt es die Gelegenheit zum Gespräch mit den Beteiligten – und es wird gefeiert.
Hier geht es zum 2,5-minütigen Animationsfilm mit ausgewählten Objekten des Museums
https://vimeo.com/668889713

Das Aktionsbündnisses Sozialproteste (ABSP) möchte nach so langer Zeit endlich wieder zu einem Treffen des ABSP in Präsenz einladen.

Samstag, den 20. August, 12 Uhr, im „Markt 12“ in Gera

Für diese Einladung habt das ABSP zweierlei Gründe:

  1. gibt es gerade aktuell so viele neue Entwicklungen:
    - 12 Euro Mindestlohn werden tatsächlich ab dem 1. Oktober gelten. Eine Forderung, die die Sozialproteste seit langer Zeit erheben. Aber hätten wir gedacht, dass dies unter diesen Bedingungen von Teuerung usw. kommen wird?
    - Hartz IV soll höchstwahrscheinlich durch ein Bürgergeld ersetzt werden. Die Details dazu sind aber noch gar nicht klar. Für die dem DGB-Bundesvorstand nahestehende Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS) hat Martin Künkler im Einblick vom Juli-August 2022 (Seite 3) einige Anmerkungen und auch Forderungen veröffentlicht.

    Dies beides sind nun sehr konkrete Veränderungen, deren tatsächliche Ausgestaltung und Auswirkungen auf die Lebensumstände von Erwerbslosen und auch allen anderen Menschen mit niedrigen Einkommen noch gar nicht klar sind.

  2. wollen wir die Gelegenheit uns leicht treffen zu können, nutzen, solange es das bundesweite 9-Euro-Ticket noch gibt. Auch für diejenigen, für die eine An- und Abreise mit dem Nahverkehr nicht an einem Tag möglich sein wird, werden wir eine Lösung finden können. Schreibt uns dazu bitte an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder ruft Edgar Schu an (Tel. 0551 20 190 386).
  3. möchten wir mit Euch darüber beraten, inwiefern in Zukunft auch online durchgeführte Treffen eine für das ABSP geeignete Form für Verständigung und auch für Beschlüsse von Aktionen sein können.


    Homepage des Aktionsbündnisses Sozialproteste: http://www.die-soziale-bewegung.de

 

Bundesfamilienministerin Paus fordert angesichts der steigenden Strom- und Heizkosten weitere Entlastungen für einkommensschwache Familien durch eine Kindergelderhöhung.
Siehe: https://t1p.de/v5dcl

Eine sinnvolle und richtige Initiative. Aber auch eine Initiative die an der Realität der Leistungsbeziehenden vorbei geht, denn das Kindergeld wird im SGB II/SGB XII in kompletter Höhe angerechnet. Eine solche Initiative macht nur Sinn, wenn eine Kindergelderhöhung in den Grundsicherungssystemen anrechnungsfrei gestellt wird. Denn sonst werden damit nur die zu erbringenden Kosten der Leistungsträger um die Kindergelderhöhung gemindert.
Also Frau Paus: Entlastung geht anders, hier müssen die Folgewirkungen beachtet und mind. diese angedachte Erhöhung anrechnungsfrei gestellt werden.
Aus dem newsletter von
www.harald-thome.de

 

„Neues erfahren, Profis treffen und Produkte live erleben“, das ist das Motto des Fachtags Nachhaltige Beschaffung, einer Kongressmesse im Rahmen der Fair Friends. Sie findet am 25. August 2022 statt und bietet neben der Fachausstellung auch eine Workshopreihe zum diesjährigen Schwerpunktthema „Nachhaltige Verpflegung“ sowie einen Social procurement pitch. Am 26. August schließt sich die Veranstaltung Impact Friends nahtlos an. Sie erweitert den Horizont für den Transformationstrend Nachhaltigkeit, unter anderem mit Informationen zur Gemeinwohlökonomie, Räumen für kreatives Netzwerken sowie individuellen Beratungsangeboten.

Der Eintritt zum Fachtag Nachhaltige Beschaffung ist kostenfrei, die Buchung eines Online-Tagestickets jedoch erforderlich. Insbesondere in Bezug auf die Workshops lohnt es sich, früh zu sein, denn die Teilnehmer:innenzahl ist begrenzt. Mitgliedsbetriebe von netz.NRW erhalten 20% Rabatt auf das Ticket für die Veranstaltung Impact Friends. Bei Interesse kontaktieren Sie uns bitte unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Unseren Stand finden Sie an beiden Tagen in der Messe Dortmund, Eingang Nord, Standnummer EN.18.

https://www.netz-nrw.de/

„… Tausende gehen im September 2022 in verschiedenen Städten in Deutschland unter dem Motto „Der Preis ist heiß“ auf die Straße. Sie protestieren gegen die Inflation – dagegen, dass auch Lebensmittel des täglichen Bedarfs innerhalb von Monaten immer teurer wurden. Die Protestwelle hat in einer kleinen Stadt in Sachsen-Anhalt begonnen und sich dann auf die ganze Republik ausgebreitet. Jobcenter und Arbeitsagenturen werden belagert, die Demonstranten fordern eine spürbare Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Auch den DGB-Gewerkschaften werden Besuche abgestattet. Sie werden aufgefordert, die Tarifverträge außerplanmäßig zu kündigen und größere Lohn- und Gehaltserhöhungen einzufordern. Schließlich hat die Inflation die bisherigen moderaten Lohnsteigerungen in vielen Branchen aufgefressen und sogar zu einem Reallohnverlust geführt. Um den Druck zu erhöhen, sind ganze Belegschaften in vielen Betrieben in einen sogenannten wilden Streik getreten, das heißt, sie warten nicht auf die DGB-Gewerkschaften, um gegen die Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse zu kämpfen. Noch ist es ein Zukunftsszenario, aber nicht völlig unrealistisch. Denn die wachsende Inflation hat in großen Teilen der Bevölkerung auch in Deutschland die Unzufriedenheit mit der herrschenden Politik erhöht. (…) Tatsächlich bereiten sich auch in Deutschland jetzt schon rechte Gruppen auf die Proteste der Inflation vor. Diverse rechte Netzwerke malen sich Szenarien von einem gesellschaftlichen Notstand aus, von dem sie dann profitieren wollen.
Doch auch Linke versuchen die künftige Bewegung gegen die Inflation mit eigenen Forderungen zu gestalten. Konkrete Vorschläge gibt auch von der Verbraucherorganisation Foodwatch externer Link, die sich mit einer Petition für die komplette Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse einsetzt externer Link. Auch die Forderung nach Abschaffung der Mehrwertsteuer auf alle Grundnahrungsmittel externer Link wird diskutiert. Zudem gibt es die Kampagne „9 Euro Ticket weiterfahren“ externer Link, an der sich sowohl Politiker der Partei Die Linke als auch die Spitze der Grünen Jugend und bekannte Aktivistinnen der Klimabewegung beteiligen. Direkt auf die Arbeiter in der Autobranche zielt das Flugblatt einer linken Betriebsgruppe mit der Parole „Kampf gegen die Inflation – alle auf die Straße gegen die Regierung“. Doch die Fabrikarbeiter haben noch ein weiteres Kampfmittel, den Streik. Schließlich waren die heute schon legendären Septemberstreiks 1969 auch eine Folge der damaligen Inflation. (…) Es gibt erste Ansätze für soziale Proteste auch von außerparlamentarische Linken in Berlin, die unter dem Motto „Der Preis ist heiß“ zu Treffen einladen, in denen sie sich ausdrücklich nicht an die Regierung richten, sondern solidarische Anlaufstellen einrichten wollen, wo sie Menschen unterstützen wollen, die konkret unter den hohen Preisen leiden. (…) Verbunden mit Aktionen von Erwerbslosen gegen hohe Preise für Grundnahrungsmittel und steigende Mieten externer Link sowie solidarischen Anlaufstellen könnte hier tatsächlich eine neue soziale Bewegung entstehen.“
Artikel von Peter Nowak vom 31. Juli 2022 in Telepolis externer Link

Dienstag, 2. August 2022, 19:00 Baiz, Schönhauser Allee 26 A, 10435 Berlin
(Ecke Wörther Str.) U Senefelderplatz, Eberswalder Str.
Statt gegen die Hungersnöte, die Wüstenbildung, die Gletscherschmelze, die Flutkatastrophen vorzugehen, kippen die Verantwortlichen Öl ins Feuer. Schon bald wird es zu spät sein und die Gesellschaft verschließt die Augen. Wir haben einen Plan zivilen Widerstands, der hohe Opferbereitschaft erfordert, doch eine Chance hat, zu funktionieren. Hör ihn dir an! Lasst uns handeln, als ob unser Leben davon abhängt. Denn das tut es!

 

Die Sommerausgabe der OYA wurde diesmal nicht gedruckt, sondern eingelesen: Seit Anfang Juli kann die erste Welle an Hörstücken auf unserer Website angehört und heruntergeladen werden und ist auch auf den Podcast-Portalen Spotify und iTunes (Suchbegriff: »Oya im Ohr«) zu finden.

Die zwei Dutzend Hörstücke sind Stationen einer vielstimmigen Reise, auf der zeitlose Artikel aus unserem Archiv sowie der eine oder andere bislang unveröffentlichte Stück erklingen – Texte, die von Lesenden und Redaktionsmitgliedern ausgewählt wurden, weil sie Aspekte gesellschaftlichen Wandels sichtbar machen und Orientierung in herausfordernden Zeiten geben können. Diese Wegmarken aus 13 Jahren Oya erzählen von jungen Menschen auf der Suche nach Beheimatung, von unerschrockenen Großmüttern im Dienst des Lebendigen, vom Sammeln, Tragen und Halten, von der Kunst des Augenblicks, vom Loslassen und vom Kompostieren, vom Bauen, Pflanzen, Selbermachen auf der einen Erde – davon, wie Menschen sich gemeinschaffend organisieren, wie sie mutig und unbeirrt Widerstand gegen die Strukturen der Megamaschine leisten, sich nicht mit einfachen Antworten auf komplexe Herausforderungen zufriedengeben und sich in krisenhaften Zeiten fragen: Was ist hier und heute wirklich dran?

Die Hörstücke enthalten Klassiker aus den Anfangstagen von Oya (»Auf in die Post-Kollaps-Gesellschaft« von Johannes Heimrath), Beiträge, die unser Verhältnis zu stofflichen Grundlagen der gebauten Welt überdenken (»Es lebe die Eisenzeit!« von Anja Marwege), philosophische Texte, die unser Selbstverständnis als Menschen hinterfragen (»Kompostierendes Sein« von Bayo Akomolafe), Überlegungen zu politischem Engagement im je eigenen Lebensumfeld (»Wie kann nach Hause gehen politisch sein?« von Andrea Vetter), praktische Anregungen zum Selbermachen (»Inspirationen vom Vormacher« und »Mehr Einfälle als Zeit abfällt« von Jochen Schilk), Texte übers Tätigsein mit Dung (»Ein Haufen Arbeit« von Matthias Fellner) und den Umgang mit Digitalisierung (»Schöne neue Technikwelt?« von Maria König) sowie Beiträge von neu dazugewachsenen Redaktionsmitgliedern (»Ich vertrockne« von Tabea Heiligenstädt oder »Dank an die Älteren« von Luisa Kleine).

Den ganzen Sommer über werden wir im wöchentlichen Rhythmus immer mittwochs weitere Hörstücke veröffentlichen – es lohnt sich also, uns regelmäßig auf unserer Website oder in unseren Kanälen bei Spotify, Facebook und Instagram zu besuchen! Los geht es heute mit gleich zwei weiteren zeitlosen Hörstücken, die sich, ausgehend von persönlichen, biografischen Erlebnissen, mit dem Gehenlassen, dem Seinlassen und dem Sterbenlassen im konkreten wie im übertragenen Sinn beschäftigen: »Worte für das Unfassbare finden« von Lara Mallien und »Es lebe die Lassenskraft!« von Matthias Fersterer.

Die Hörstücke erzählen überwiegend stille, leise, aus gelebter Praxis heraus entstandene Geschichten. Geben diese Erzählungen angemessene Antworten auf eine Welt, die in Flammen steht? Können sie dem Krieg gegen die Lebendigkeit, der Tag für Tag geführt wird – sei es durch Panzer, atomare Aufrüstung, Fracking oder agrarindustrielle Weltvernutzung –, etwas entgegensetzen? Das können wir nicht sicher wissen. Wir vertrauen jedoch darauf, dass die »Revolution für das Leben«, die sich tagtäglich an vielen Orten durch den beherzten Einsatz tatkräftiger Menschen vollzieht, für sich genommen Sinn ergibt – unabhängig davon, was noch kommen mag.

Wir wünschen Ihnen und euch eine denkbar gute Sommerzeit mit intensiven Hörerlebnissen und werden uns im Herbst in gewohnter Druckfassung zurückmelden. In der Zwischenzeit freuen wir uns darauf zu hören, wie es Ihnen und euch auf der akustischen Reise ergangen ist – zum Beispiel bei unserem »Ausgabenreflex« am Mittwoch, den 7. September, ab 18 Uhr, der allen Lesenden die Möglichkeit bietet, sich mit Redaktionsmitgliedern per Videokonferenz über »Oya im Ohr« auszutauschen (Anmeldungen bitte bis 1. September an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

 

 

 

Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe macht mit Kampagne Druck auf Ampelregierung. Ein Gespräch mit Werena Rosenke
Gitta Düperthal
Sie haben die bundesweite Kampagne »Wohnung los« gestartet. Wie ist die Situation wohnungsloser Menschen aktuell? Die Lage auf dem Wohnungsmarkt verschärft sich sukzessive, Mietpreise steigen an.  Menschen mit geringem Einkommen oder bereits Wohnungslosen fällt es immer schwerer, eine Wohnung zu finden. Es muss eine Strategie geben, die Wohnungsnot zu beenden. Die Ampelkoalition hat im
Koalitionsvertrag festgeschrieben, bis 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit zu überwinden und dafür einen Aktionsplan aufzulegen.
Mit unserer Kampagne wollen wir dafür sorgen, dass sie dieses Ziel nicht aus den Augen verliert.
Haben Sie Hoffnung, dass das funktionieren wird?
Das Bekenntnis der Bundesregierung zum Aktionsplan darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Wir gehen davon aus, dass sie es angehen wird, die Wohnungslosigkeit zu beenden. Fragt sich nur, wie. Mit stets neu
aufgelegten Projekten wird es nicht zu erreichen sein. Wohnungslosigkeit muss systematisch bekämpft werden. Die notwendigen bezahlbaren Wohnungen müssen geschaffen werden, entweder durch den Bau sozialgebundener gemeinnütziger Wohnungen oder indem die Kommunen Belegbindungen ankaufen. Alle wohnungslosen Menschen müssen die Chance bekommen, eine eigene Wohnung und einen Mietvertrag dafür zu erhalten. Präventiv muss dafür gesorgt werden, dass ein Wohnungsverlust erst gar nicht droht.
Dazu muss es politische Programme geben. Spezielle Fachabteilungen könnten über eine Gefährdung des Mietverhältnisses informieren, damit eine Übernahme von Mietschulden frühzeitig gestartet werden kann, bevor Schulden weiter anwachsen. Wie ist die Datenlage zum Thema?
Erstmals wurde mit dem Stichtag 31. Januar in diesem Jahr eine Teilmenge der wohnungslosen Menschen statistisch erfasst: jene, die an diesem Stichtag entweder in einer ordnungsrechtlichen Unterkunft der Kommune oder bei freien Trägern übernachtet haben. Menschen, die auf der Straße leben oder Sofahopping bei Freunden machen, weil sie noch am Anfang der Wohnungslosigkeit stehen, können mit der Zählung allerdings nicht erfasst werden. Wir bezweifeln, dass alle Geflüchteten mit Aufenthaltsstatus erfasst wurden. Viele kamen in Gemeinschaftsunterkünften oder bei Freunden oder Verwandten unter. Eine
Zahl wird noch veröffentlicht werden. Wir haben eine Schätzung für das Jahr 2020 vorgelegt und gingen von etwa 420.000 Menschen ohne Wohnung bundesweit aus.
Hat Corona die Lage verschlimmert?
Für Wohnungslose, die sich im öffentlichen Raum aufhalten, Straßenzeitungen verkaufen oder Flaschen sammeln, ist das Leben schwieriger geworden. Tagesaufenthalte, Wasch- oder Duschgelegenheiten
schwinden. Während dieser Zeit haben wir uns dafür eingesetzt, dass erforderliche Abstände überhaupt eingehalten werden können. In Unterkünften waren dennoch teilweise sechs Leute in einem Raum
untergebracht. Ob mehr Menschen in finanzielle Nöte gerieten, Schulden aufhäuften und wohnungslos wurden, ist nicht bekannt. Mir kam zu Ohren, Vermieter hätten sich in der Hochphase von Corona zunächst mit Kündigungen zurückgehalten, würden das jetzt aber nachholen. Belegbare Zahlen gibt es dafür nicht.
Wie kann Ihre Kampagne genug Druck entwickeln?
Wir hoffen darauf, dass sich Sozialverbände und Mieterinitiativen beteiligen; dass sie Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen dazu machen, was zu tun ist, um das Menschenrecht auf Wohnen zu erhalten.
Im September 2021 haben mehr als eine Million Berliner das Anliegen für eine Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen unterstützt. Es gibt Kritik, der Senat verschleppe oder verhindere die Umsetzung. Was halten Sie davon?
Als Bundesverband äußern wir uns nicht zu einzelnen Landes- und lokalen Initiativen. Einige halten die Enteignung für eine Notwendigkeit, andere unterstützen das nicht. Wir sind aber der Meinung, dass Kommunen ermöglicht werden muss, ein Reservoir für Wohnungslose und Einkommensschwache vorzuhalten. Diese werden stigmatisiert und ausgegrenzt. Das dürfen wir nicht zulassen.
Werena Rosenke ist Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
https://www.jungewelt.de/artikel/430654.wohnungslosigkeit-das-darf-kein-lippenbekenntnis-bleiben.html