Sozialpolitisches Forum 2004

Kontakt: Dieter Koschek, Dorfstr. 25, 88142 Wasserburg Tel./Fax 08382/89056 email: agspak@t-online.de

 

Einladung
Anmeldung
Programm

Es geht um Umverteilen - Gisela Notz

Forum 1: Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung

Bürgerhaushalt

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid Instrumente der Direkten Demokratie

Agenda 21

Die Chance ergreifen - zu Sozialforen in Deutschland 

Forum 2: Soziale Sicherungssysteme

Gesundheitsreform und Bürgerversicherung

Zukunft der Arbeit

Existenzgeld

Lebensgemeinschaft

Umverteilen: Modelle der Finanzierung eines solidarischen Gesellschaftsvertrages

 

Sozialpolitisches Forum 2004 in Oberursel

Futur3 – Selbstbestimmung im 3. Jahrtausend

26. -28. März 2004 / veranstaltet von ag spak und Bundesbildungszentrum DGB-Jungend

Soziale Alternativen entwickeln

Futur3 machts möglich

Die Angriffe auf den historisch mühsam erarbeiteten und immer noch auszubauenden Sozialstaat sind massiv. Sie werden von einer rot-grünen Politik, der Viele Besseres zugetraut hatten, massiv umgesetzt. Der Widerstand dagegen formiert sich wie immer langsam und hat im Herbst 2003 an Fahrt aufgenommen. Wesentlich beteiligt sind dabei attac, die Sozialforen und die linken Teile der Gewerkschaftsbewegung. Schere zwischen Arm und Reich, Neoliberalismus, Präventivkriege, strukturelle Arbeitslosigkeit, undurchschaubare Steuer-Bürokratie, Verschrottung der alten Menschen, immer mehr Gesundheit für die wenigen Glücklichen: Das sind die hektisch in der Öffentlichkeit diskutierten Themen. Wichtig ist aber nicht die Medien-Karriere von Themen, sondern die Spannung zwischen der oft ohnmächtigen Erfahrung Einzelner, die es jeweils betrifft, und den eigenen sozio-politischen Möglichkeiten zu Selbstbestimmung und Gestaltung. Und das ist Sache einer außerparlamentarischen Opposition und der Kräfte der Zivilgesellschaft, die sich auf Solidarität, Partizipation, Friedfertigkeit, Gerechtigkeit, Freiheit und Ökologie berufen.

Da stehen die „Alternativen" ziemlich blass da. Und das ist eine Eigenschaft, die sie mit dem Kanzler dieser Republik teilen.

Hier setzt die Tagung an. Eine andere Zukunft machts möglich, das Futur3. Erfahrungsaustausch und die Diskussion um konkrete Alternativen werden gebündelt, intensiviert und nach vorne gedacht. Dabei sind zwei Schwerpunkte gesetzt: Zum einen die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Verwaltung und Politik sowie Ansätze von Alternativen im System Sozialer Sicherung, die über die Abwehrkämpfe hinausgehen. Eine Meisterleistung im Kampf um das „Wofür" bildet schließlich die öffentliche Vorstellung der Müller-Meier-Schmidt-Kommission. Hier zeigt sich, dass die Alternativen auf dem Gebiet der Kommissions-Gründungen mit den Trägern politischer Verantwortungslosigkeit nicht nur Schritt halten, sondern sie sogar auf dem Weg zur Verantwortung überholen können.

TN-Beitrag

75 €, ermäßigt 50 € inclusive Übernachtung und Vollverpflegung

Anmeldung bitte an: Bertold Happel,

Bundesbildungszentrum DGB-Jungend, Königsteinerstr. 29, 61440 Oberursel

fon 06171-5903-24 fax 06171-5903-27

email berthold.happel@hdgj.de

Weitere Informationen

bei ag spak: Dieter Koschek, Dorfstr. 25, 88142 Wasserburg/Bodensee

Fon/Fax 08382-89056,

Email: agspak@t-online.de

oder riedmann.koschek@aon.at

Gefördert von der Sozialpolitischen Gesellschaft Wasserburg und Stiftung Menschwürde und Arbeitswelt Berlin

 Programm

Freitag, 20.00

Vortrag
Gisela Notz. Löcher im sozialen Netz – Sozialpolitik und Geschlecht

Samstag, 9.30

Vortrag
Tilo Klöck: Meilensteine und Mühlsteine für Selbstorganisation im Programm Soziale Stadt
Der Staat verordnet die Zivilgesellschaft, die Bürgerbeteiligung bleibt nachrangig. Modelle zeigen: Es geht mehr als man denkt ...

Vortrag
Hans-Jürgen Arlt: Reform des sozialen Systems

Forum 1: Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung

Entwicklungslinien und Handlungsfelder der Gemeinwesenarbeit am Beispiel Bürgerhaushalt
Heike Binne aus Bremen (Vorstand der BAG Soziale Stadtentwicklung und GWA) und Tilo Klöck (FHS München) und Marga Mitterhuber, ag spak

Bürgerentscheid. Omnibus eGmbH
Frank Rehmet, Mehr Demokratie e.V.

Agenda 21.
Heinz Schulze Agenda 21, München

Regionale Sozialforen.
Sascha Kimpel, Sozialforum Berlin und attac

Forum 2: Soziale Sicherungssysteme

Gesundheitsreform und Bürgerversicherung.
Rolf Schmucker,  wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für medizinischen Soziologie in Frankfurt am Main  und  Beate Küpper von artabana

Zukunft der Arbeit.
Hardy Krampertz wurde in den 70er Jahren gewerkschaftlich und politisch sozialisiert und ist heute ehrenamtlich bei ver.di und Attac tätig.

Existenzgeld.
Harald Rein arbeitet im Frankfurter Arbeitslosenzentrum mit

Lebensgemeinschaften als gegenläufiges Modell zu Einzelhaushalten.
Uli Barth, Kommune Niederkaufungen

Umverteilen: Modelle der Finanzierung eines solidarischen Gesellschaftsvertrages.
Hans Jürgen Arlt ist Publizist und Kommunikationswissenschatler in Berlin. Ehemaliger Pressespreches des DGB

Samstagabend

Martin Reuter, Diashow „Vom Prunkschlitten zum Arbeitergesetz". König Ludwig II. von Bayern, sozialpolitisch

Detlev Wolf & Martin Reuter: Kabarett ohne Klampfe!

Gertrud Salm „Scheiß Januar" szenische Lesung

Sonntagmorgen 

1. BeobachterInnen berichten von den Arbeitsgruppen und Vorträgen der vorherigen Tage

2. Aussprache zur Vorlage eines Berichtes für die Müller-Meier-Schmidt-Kommission (MMSK) unter Berücksichtigung der Open-Face-Methode („Offenes Gesicht") Die Kommission ist der Beitrag des Sozialpolitischen Forums zum Kommissionswesen der europäischen Regierungen. Im Rahmen der fortschreitenden Demokratisierung von Gesellschaften mit kapitalistischer Produktionsweise und Marktfreiheit entwirft sie die Roadmap zu einem neuen Gesellschaftsvertrag. Als Teil einer umfassenden Sozialen Plastik verfährt sie nach der Devise „Jeder ist ein Experte". Deshalb spiegeln ihre Mitglieder die Bevölkerungs-Zusammensetzung, deren Qualifikationen und ihren Willen zur direkten Demokratie wider.

 

 

Es geht um Umverteilung

Gisela Notz – Wenn wir für die Zukunft einen Sozialstaat wollen, durch den gewährleistet ist, daß möglichst viele dazugehören und möglichst wenige herausfallen, so genügt das Kochen und Verteilen von Armensuppe nicht mehr. Das Verteilen von Armensuppe schmälert den Reichtum der Wohlhabenden nicht. Es ist aber geeignet die Armen zu demütigen. Sie bleiben Bittstellerinnen und sie bleiben arm. Das gilt auch für das Bereitstellen von Hamburger, Berliner oder andere Tafeln, auf der Lebensmittel, deren Verfalldatum bereits überschritten ist, für die Bedürftigen aufgetischt werden.

Auch reicht es nicht mehr, es beim Kampf gegen den Abbau der durch Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen erkämpften Leistungen zu belassen. Wahrscheinlich wird das, was unter Sozialstaat verstanden wird, neu bestimmt werden müssen. Es wird auch nicht mehr ausreichen, mangelnde Gerechtigkeit zu beklagen, sondern es wird notwendig, den Mechanismen nachzuspüren, die die zunehmende Ungerechtigkeit bewirken und daraus echte Reformansätze zu entwickeln. Auf jeden Fall sind Entwürfe in Form von Gesamtkonzepten für ein besseres und gerechteres soziales System notwendig, damit die sieben Millionen Armen nicht noch ärmer werden und damit sich ihre Zahl nicht weiter erhöht.

Änderung der Arbeitsmarktpolitik

Angesichts wachsender Armut muss der Kernpunkt einer reformierten Sozialpolitik eine andere Arbeitsmarktpolitik sein. Eine Vollbeschäftigung auf der Basis der klassischen Vollerwerbstätigkeit wird nicht mehr herzustellen sein. Auch die Hoffnungen auf noch mehr Wirtschaftswachstum helfen wenig. Wirtschaftswachstum schafft nicht per se bezahlte Arbeitsplätze, das zeigt die Tatsache, daß die Unternehmergewinne ständig steigen, die BRD weltweit die zweithöchsten Außenhandelsumsätze hat und die Erwerbslosigkeit dennoch nicht merklich abnimmt. Zudem sind die Grenzen des Wachstums vielfach diskutiert. Die Kehrseite heißt wachsende Naturzerstörung, soziale und gesundheitliche Gefährdungen der Menschen und andere „Modernisierungsrisiken", die die Mitwelt der Menschen betreffen. Aus frauenpolitischer Sicht ist die Wiederherstellung der klassischen Vollbeschäftigung ohnehin nicht wünschenswert, denn das „Normalarbeitsverhältnis" gewährleistete bei genauerem Hinsehen - zumindestens in Westdeutschland - auch in der Vergangenheit nur ein geschlechtsspezifisch gebrochenes Recht auf soziale Teilhabe und politische Mitwirkung, weil der größte Teil der (Frauen)Arbeiten nicht mit sozialer Teilhabe und einem Einkommensanspruch verbunden ist und weil Vollbeschäftigung traditionell einen „Haupternährer" und eine Hausfrau oder „Zuverdienerin" bezeichnet. Ein Modell, das auch viele Männer nicht (mehr) als erstrebenswert empfinden.

Umverteilung der Arbeit

(...) Es geht um eine Umverteilung von gesellschaftlich notwendiger und sinnvoller Arbeit und von Verantwortung für die Mit- und Umwelt auf beide Geschlechter durch tägliche Arbeitszeitverkürzung im Bereich der Vollzeiterwerbsarbeit (6-StundenTag) und Abbau von Überstunden. „Arbeit" bezeichnet die Sicht auf die Arbeit als Ganzes in ihrer (jetzt) bezahlt und (jetzt) unbezahlt geleisteten Form. Unter sinnvoller Arbeit ist eine Arbeit zu verstehen, die der Herstellung eines gesellschaftlich nützlichen Produktes oder einer solchen Dienstleistung dient, eine Arbeit, die der Weiterentwicklung der Qualifikationen und der Persönlichkeitsentwicklung der Arbeitenden förderlich ist und durch deren Herstellung weder die menschliche Umwelt noch die Mitwelt negativ beeinflußt wird. Auch diese Kriterien sind an bezahlt und unbezahlt geleistete Arbeit zu richten.

Existenzsicherung

Das Ziel ist eine sinnvolle, versicherungspflichtige, die eigene Existenz sichernde Arbeit für alle Menschen, die das wollen, verbunden mit der Möglichkeit, die erwerbsarbeitsfreie Zeit für Haus- und Sorgearbeiten, kulturelle, politische und gemeinwesenorientierte Arbeiten zu nutzen. Um Versicherungslücken zu vermeiden, ist ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn notwendig, alle Erwerbsarbeitsverhältnisse sind in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen und auch alle Arbeitsverhältnisse, die als „Selbständige" gelten.

Zudem brauchen wir eine Mindestrente für alle durch Alter oder Krankheit aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedenen, die unabhängig von den einbezahlten Versicherungsbeiträgen gezahlt wird, wie sie weiter oben bereits entwickelt wurde. Notwendig wird es, Frauen in der Familien-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik nicht weiter als Mitverdienende, zusätzlich Verdienende, also nicht weiter im Zusammenhang mit Ehe, Familie und „Haupternährer" zu sehen, sondern sie als Individuen herauszuholen aus diesen Zusammenhängen. Das heißt nicht, daß hier der postmodernen Individualisierung das Wort geredet werden soll. Erst wenn es für alle Männer und für alle Frauen selbstverständlich wird, daß sie ein Recht auf eigenständige Existenzsicherung und auf eigenständige Rente haben, werden freie Zusammenschlüsse unter freien Menschen wirklich werden können, ohne staatliche Bevorzugung einer Zusammenlebensform. Berufstätige Menschen brauchen vor allem mehr und bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Kleinst-, Kleinund Schulkinder und auch Kinder brauchen einen Rechtsanspruch auf einen solchen Platz, um mit anderen Kindern spielen zu können und die Möglichkeit zu haben, soziales Verhalten in der Gruppe einzuüben. Alte und pflegebedürftige Menschen brauchen menschenwürdige Lebensmöglichkeiten. Und sie müssen sich selbst aussuchen können, ob sie allein, mit anderen Alten zusammen oder in generationsübergreifenden Einrichtungen leben wollen. Dazu braucht es vorhandene Strukturen, die das ermöglichen. (...)

Verhinderung von Armut und Ausgrenzung

Es ist notwendig, trotz der düsteren Prognosen, die eine Zweidrittel oder Vierfünftel-Gesellschaft, eine Schattenwirtschaft oder eine Dreiklassenwirtschaft skizzieren, über Alternativen nachzudenken. Fakt ist, dass die existenzsichernd bezahlte Erwerbsarbeit in allen hochindustrialisierten Ländern schrumpft, die unbezahlte Arbeit hingegen in dem Maße zunimmt, wie sie in anderen Sektoren abgebaut wird. Was dann auch zur Finanzkrise der öffentlichen und Sozialversicherungshaushalte führt. Deshalb wird es dringend notwendig, Konzepte zu entwickeln, durch die die Armut und Ausgrenzung verhindert wird.

Vor allem wird es notwendig, über Konzepte jenseits des traditionellen „Normalarbeitstages" nachzudenken, bzw. das „Normalarbeitsverhältnis" neu zu definieren und dann die Systeme der sozialen Versicherungen neu zu überdenken, anstatt sie vorschnell aufzugeben. Solche Konzepte dürfen in keinem Fall weiter auf Kosten der Armen und Ausgegrenzten gehen.

Viele Menschen, die durch ihre Erwerbsarbeit ihren Lebensunterhalt nicht selbständig sichern können, und die durch die Löcher im sozialen Netz gefallen sind, also nicht mehr dazugehören, haben keine Möglichkeit aus eigener Anstrengung diesen Zustand zu verändern, wie es mit der Forderung nach einer Stärkung des „Selbsthilfegedankens" auch in Armutsberichten immer wieder geschieht (z.B. Hock/Holz/Wüstendorfer 1999, S. 119). Dazu bedarf es staatlicher und politischer Lösungen. Und es bedarf qualifizierter sozialer Arbeit. Denn soziale Arbeit ist ein Segment der Sozialpolitik und sie kann auch dazu dienen, die Selbsthilfepotentiale der Hilfebedürftigen zu stützen und zu unterstützen. Ermöglichungsstrukturen für Eigenverantwortung, wie sie auch von Politikerlnnen aller Coleur immer wieder gefordert wird, brauchen Stützen und Unterstützung. Freilich müssen auch hierfür Ressourcen bereitgestellt werden.

Gisela Notz ist Sozialwissenschaftlerin, wissenschaftliche Referentin für Frauenforschung in der Forschungsabteilung Sozial- und Zeitgeschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn und Mitarbeiterin der agspak. Auszug aus dem Buch: Löcher im sozialen Netz – Sozialpolitik und Geschlecht, VAS 2003

Das Kapital ist komplett unter:

www.agspak.de (SOPOFO 2004) dokumentiert

 

Forum 1: Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung

Bürgerhaushalt

Der „Bürgerhaushalt" ist eine „Erfindung" der brasilianischen Stadt Porto Allegre. Dort wurden die BürgerInnen in die Aufstellung und Gestaltung des Kommunalhaushalts einbezogen, um das knappe Geld für Aufgaben auszugeben, die den tatsächlichen Bedürfnissen der BürgerInnen entsprachen. Auf diese Weise sollte nicht zuletzt Misswirtschaft und Korruption verhindert oder wenigstens eingedämmt werden.

Auch in Deutschland gibt es in den letzten Jahren zunehmend Versuche, das brasilianische Modell auf bundesrepublikanische Kommunen zu übertragen. Dass dies in einer Zeit geschieht, in der Städte, Gemeinden und Kreise immer weniger Geld zur Verfügung haben und mit ihren Sparstrategien am Ende zu sein scheinen, dürfte kein Zufall sein. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen:

- Sollen die BürgerInnen jetzt dort in die Bresche springen, wo die Kommunalpolitik massiv versagt hat oder sich nicht auf neue Prioritäten beim Einsatz der knapper werdenden Finanzressourcen einigen kann? Oder ist der „Bürgerhaushalt" tatsächlich ein erster Schritt hin zu mehr Bürgerverantwortung, zu mehr Identifikation mit der eigenen Kommune, zu mehr Demokratie auf Gemeindeebene, zur Umsetzung der Agenda 21?

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid Instrumente der Direkten Demokratie

Mit dem Bürgerbegehren fordern die Bürger einer Stadt, Gemeinde, eines Landkreises oder Bezirks eine Abstimmung (= [Bürgerentscheid]) über eine bestimmte Frage. Eine bestimmte Mindestanzahl von Bürgern muss ein Bürgerbegehren per Unterschrift unterstützen (vgl. [Zulassungsquorum]). In den meisten Bundesländern gibt es auch unterschiedlich ausgestaltete [Themen(-ausschluss-)kataloge], in denen festgelegt ist, zu welchen Themen Bürgerbegehren (nicht) stattfinden dürfen.

Ein wichtiger Unterschied zur [Volksgesetzgebung] ist, dass letztere auf den Gesetzgebungsprozess eines Landes Einfluss nimmt, während Bürgerbegehren und Bürgerentscheid Teil der kommunalen Selbstverwaltung sind. In Deutschland können auf kommunaler Ebene keine Gesetze beschlossen werden.

Ein Bürgerentscheid erfolgt nach erfolgreichem [Bürgerbegehren], wenn der Gemeinderat bzw. die Bezirksvertretung dem Begehren nicht gefolgt ist. Beim Bürgerentscheid gilt das Prinzip „Mehrheit entscheidet", wobei in den meisten Bundesländern noch verschieden ausgestaltete [Abstimmungsklauseln] erreicht werden müssen.

Agenda 21

So heißt das Aktionsprogramm, dass 179 Länder auf der Weltkonferenz für Klima und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet haben.

Dieses Programm soll Entwicklung nachhaltig sichern, d.h. der Ausbeutung der Ressourcen entgegenwirken, damit auch nachfolgende Generationen noch eine lebenswerte Umwelt auf dem Planeten Erde vorfinden.

Die Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft sind dabei untrennbar ineinander verwoben - sie müssen zur Lösung der weltweiten Probleme gleichwertig berücksichtigt werden. Ein solch erdumspannendes Handlungskonzept ist nur machbar, wenn es in den kleinstmöglichen gesellschaftlichen Gemeinschaften umgesetzt werden kann. Es muss den vielschichtigen Interessen in den verschiedenen Staaten und langwierigen Entwicklungsprozessen Rechnung tragen. Auf weltweiter, globaler Ebene und auf lokaler, kommunaler bedarf es dafür vieler Akteure und Bündnisse. Gemeinsames Ziel aller ist es, der fortschreitenden Umweltzerstörung entgegenzuwirken und eine sozial gerechte Verteilung weltweit zu erreichen.

Die Chance ergreifen - zu Sozialforen in Deutschland 

Durch die positive Ausstrahlung des ESF (Europäisches Sozialforum) in Florenz kam es in den vergangenen Monaten zur Bildung von lokalen Sozialforen (SF). Gefördert wird die Bildung von SF von der bundesweiten Initiative für ein Sozialforum in Deutschland (DSF), die seit Anfang Februar dieses Jahres existiert. Sozialforen gibt es mittlerweile in Aachen, Berlin, Bonn, Chemnitz, Duisburg, Freiburg, Düsseldorf, Hassfurth, Köln, München, regional für Norddeutschland, Oldenburg, Rostock, Saarbrücken, Schwäbische Alb, Stuttgart, Saarland & nördliche Rheinland Pfalz, Tübingen, Reutlingen, Wiesbaden, Witten, Wuppertal. Weitere Städte planen die Gbründung. Ob und wann es so etwas wie einen Dachverband aller SF geben sollte, ist bisher umstritten. Einigkeit besteht darin, dass die lokale Basis durch die städtischen SF erst einmal gestärkt und ausgeweitet werden soll. Ein bundesweiter Kongress der Sozialforumsbewegung wird frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2004 stattfinden können. Ziel der SF ist es, eine Struktur zu schaffen, die in der Lage ist, auf dynamische Art und Weise in die politischen Auseinandersetzungen zu intervenieren, um damit die große Lücke zu füllen, die attac alleine nicht füllen kann und will. 

Forum 2: Soziale Sicherungssysteme

Gesundheitsreform und Bürgerversicherung

Gerade erst hat das „Gesundheitsmodernisierungsgesetz" unseren Schutz im Falle von Krankheit tief durchlöchert. Galt bisher die Regel: „Wer krank ist, bekommt, was medizinisch notwendig und möglich ist", so gilt jetzt für so manches: „Wer nicht zahlen kann, muss sehen, wo er/sie bleibt." Ist da nicht tiefes Misstrauen angesagt vor jeder neuen Reformidee? Müssen wir nicht befürchten, dass dies heute nur noch ein modernes Wort für soziale Abzocke ist? Was also ist von der so genannten Bürgerversicherung zu halten? Oder gibt es weitere Alternativen?

Zukunft der Arbeit

Für viele Menschen ist Arbeit und Geld die natürlichste Sache der Welt. Wir halten diesen Zusammenhang für hoch problematisch.  Es ist nicht hinnehmbar, dass sich die menschliche Existenz rechnen muss. Es wird kritisiert, dass im Namen der Arbeit jede neue Zwangsmassnahme durchgesetzt werden könne. Diejenigen, die noch Arbeit haben, werden unter immer härteren Bedingungen arbeiten müssen. Arbeitslose hingegen werden immer schärferen Repressalien und sozialer Verelendung ausgesetzt. Das Hartz-Konzept und die aktuellen Diskussionen um die Agenda 2010 sind nur ein weiterer Schritt in diese Richtung. „Wir halten eine Gesellschaft des produktiven Müssiggangs für möglich. Allerdings ist die Politik dafür ungeeignet. Sie kann keine sinnvolle Lösungen entwickeln. Vielmehr ist eine gesellschaftliche Diskussion über mögliche Alternativen notwendig." Die Neubestimmung, Neubewertung und Umverteilung aller jetzt bezahlt und jetzt unbezahlt geleisteten sinnvollen und gesellschaftlich nützlichen Arbeiten gleichermaßen zwischen Frauen und Männern.

Existenzgeld

Das Existenzgeld ist ein Instrument der gerechten Verteilung des Reichtums und der Abschaffung der Armut. Es ermöglicht für alle Menschen ein hohes Maß an Solidarität. Dies birgt zwar die Hoffnung auf eine zukünftige internationale Politik gegen Ausbeutung, Diskriminierung und ökologischen Raubbau, die Diskussion hier und heute muß sich jedoch auf unsere nationalen und europäischen Gegebenheiten beschränken.

Lebensgemeinschaft

Das Leben in Kommunen und ähnlichen Gemeinschaften hat eine lange Tradition. Sie geht über die in Familien üblichen Bindungen von Ehe und Verwandtschaft hinaus. Singles, Paare und Familien finden sich nach Sympathie und gemeinsamen Ideen, um zusammen ihr Leben zu gestalten. Unter diesen Vorzeichen gründete sich 1986 die Kommune Niederkaufungen. Inzwischen leben hier 52 Erwachsene und 17 Kinder/Jugendliche. Das Leben in der Kommune basiert auf mehreren Grundsätzen, die uns am Herzen liegen und die den Zusammenhalt aller Mitglieder gewährleisten. Unser Schritt, gemeinsam zu leben und zu arbeiten, ist ein Versuch, uns gegen die Strömung der Zeit wieder in Kreisläufe einzubinden. Dass das nicht einfach ist, merken wir fortwährend. In unserer Gesellschaft sind wir es kaum noch gewohnt, gemeinsam zu handeln. Die Vereinzelung ist zur Gewohnheit geworden. Wir wollen in der Kommune Niederkaufungen so viele Menschen werden, dass wir immer mehr in wesentlichen Bereichen menschlicher Grundbedürfnisse - Ernährung, Gesundheit, Wohnen, Bildung - tätig sein können. Auf dieser Grundlage wollen wir nicht nur für uns sondern auch für andere ökologisch und sozial verträgliche Produkte und Dienstleistungen herstellen und anbieten.

Umverteilen: Modelle der Finanzierung eines solidarischen Gesellschaftsvertrages

Vieles spricht dafür, daß das Thema Solidarität ein großes Zukunftsthema wird, weil solidarisches Verhalten in der Gesellschaft neu angesiedelt werden muß. Die Delegation an den Staat war historisch ein Fortschritt, für die Zukunft erscheint anderes möglich und nötig. Der traditionelle, im Kern „asoziale" Bürger will, daß der Mensch die Verantwortung für sich selbst nicht beim Staat abgibt, aber die Verantwortung für alle anderen Menschen bitte ständig und vollständig. Man könnte - paradox formuliert - von einer notwendigen Privatisierung des Sozialen sprechen, wenn nicht ein Rattenschwanz von Mißverständnissen daran hängen würde. Privatisierung des Sozialen kann die Befreiung des Ellbogens meinen und es kann die Öffnung der Hand bedeuten.


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