Mit ihrem Buch möchten die Herausgeber*innen Ashish Kothari (Pune), Ariel Salleh (Sydney), Arturo Escobar (North Carolina), Federico Demaria (Barcelona) und Alberto Acosta (Quito) die Leser*innen einladen, „sich auf einen tiefgreifenden Prozess der intellektuellen, emotionalen, ethischen und spirituellen Dekolonisierung einzulassen.“ Der renommierte Nachhaltigkeitsforscher Wolfgang Sachs schreibt einleitend, nun sei „Überleben statt Fortschritt“ angesagt, und: „Nicht zuletzt die Überhitzung der Erde und der Verschleiß der biologischen Vielfalt haben dem Glauben, dass die entwickelten Nationen die Spitze der sozialen Evolution sind, den Boden entzogen.“

Alternativen zu „Fortschritt“ und „Entwicklung“

Dem herrschenden Developmentalismus – diesem ideologisch verbrämten Beharren auf „Entwicklung“ als technologie- und finanzgetriebenem Schneller-Höher-Weiter – möchten die Herausgeber*innen vielfältige Visionen und Praxen eines Guten Lebens für alle entgegensetzen. Ihre marxistische Analyse ergänzen sie „durch Perspektiven wie Feminismus und Ökologie sowie durch Vorstellungen aus dem Globalen Süden, einschließlich der Ideale Gandhis“. Ein Pluriversum einer „Welt, in der viele Welten Platz haben“ – ganz im Sinne zapatistischer Weltsichten. Die Zapatistas sind indigene Aktivist*innen aus Chiapas im Süden von Mexiko, die seit den 1980er Jahren selbstorganisierte Gesellschaftsstrukturen auf bauen. Mit ihrem Motto „Fragend voran“ drücken sie ihre herrschaftskritische und feministische Haltung zur Welt aus. Im Sommer 2021 waren sie auf einer „Reise für das Leben“ in Europa, um weltweit Bewegungen „von links und unten“ zusammenzubringen. Mehrere Beiträge im Pluriversum-Buch beziehen sich auf sie.

Das Anliegen der Zapatistas: „Es geht darum, uns zu vernetzen und unsere Kämpfe zu verbinden“ und: „Wir werden nicht die Unterschiede suchen, sondern das, was uns verbindet.“ (Mobilisierungsvideo zur Reise). Im deutschsprachigen Raum ist es nicht leicht, die verschiedenen Kämpfe und Projekte für eine andere Welt so zusammenzubringen, dass wir mit vereinten Kräften dem schlechten Bestehenden etwas entgegensetzen könnten. Viel zu oft greifen Pseudo-Alternativen um sich, Green- und Socialwashing sowie Diversity werden Bestandteile profitabler Geschäftsmodelle. Diese setzen auf technische ‚Lösungen‛ und auch gesellschaftlich scheint sich eine immer stärker wissenschafts- und technikorientierte, ja mitunter geradezu naturfeindliche Stimmung breit zu machen. Andere, alternative Ansätze werden an den Rand gedrängt oder sogar diffamiert. Social-Business-Förderprogramme hegen ein, was vielleicht einmal rebellisch begonnen hat.

Aber es gibt auch Hoffnung, beispielsweise unbeugsame Klimagerechtigkeits-Aktivist*innen, die von Zerstörung bedrohte Biotope besetzen, um sie zu schützen; Seenotrettungsprojekte, die das systematische Morden an den europäischen Außengrenzen anprangern und Menschen auf der Flucht solidarisch unterstützen; unterschiedlichste kollektive Wohn-, Arbeits- und Kulturprojekte, die schon heute versuchen, Keimformen des Zukünftigen zu gestalten. All dies ist vielfältig – pluriversal! –, nie perfekt, aber real, lokal handelnd und global vernetzt.

Starke Stimmen aus der ganzen Welt

Das Pluriversum-Buch präsentiert über 100 starke Stimmen aus der ganzen Welt, die die Vielfalt feiern und sich gleichzeitig um verbindende Grundgedanken versammeln. Von wohlklingenden Scheinlösungen grenzen sie sich ab. Zunächst geht es um globale Erfahrungen mit dieser Entwicklung und ihren Krisen. Dann folgt ein kritischer Blick auf reformistische Lösungen zur Universalisierung der Erde. Den größten Teil nehmen Initiativen der Umgestaltung ein – vor den Leser*innen entfaltet sich ein Pluriversum wirtschaftlicher, sozialpolitischer, kultureller und ökologischer Konzepte, Weltanschauungen und Praktiken aus aller Welt. Diese Vielfalt ist ein Wert an sich.

Weltweit rief das Buch Begeisterung hervor, nachdem es 2019 auf Englisch unter dem Titel Pluriverse – A Post-Development Dictionary in Indien erschien. Ein paar Beispiele:

„Dieses Lexikon des Guten Lebens für alle stellt die wirtschaftliche Illusion des freien Marktes in Frage. (Mogobe Ramose, Südafrika).

„In diesen kritischen Zeiten zeigt uns dieses wichtige Buch eine unglaubliche Bandbreite an Alternativen auf und hilft uns, den Wert unserer Gesellschaften und die Bedeutung des Menschseins neu zu überdenken.“ (Jingzhong Ye, China).

„Dieses Buch ist ein Hauch von frischer Luft. Es öffnet viele konzeptionelle Türen zu einem Pluriversum von Weltanschauungen und Praktiken aus aller Welt und überwindet die Illusion des konventionellen Entwicklungs-Denkens als Weg zu einem ökologisch nachhaltigen Planeten.“ (Lourdes Benería, Spanien).

„Beim Aufschlagen dieses Buches setzte mein Herz einen Schlag aus. Endlich gibt es eine Möglichkeit, die alternative Zukunft zu verstehen, die auf der ganzen Welt entsteht. … Pluriversum verkörpert auf bestmögliche Weise die Prinzipien und die Vielfalt, für die es eintritt. Ein unverzichtbares Buch für alle, die nach der besten aller Welten streben. (Juliet Schor, USA).

„Dies ist ein Buch von überwältigender Breite und provokativer und überzeugender Gelehrsamkeit.“ (Sylvia Marcos, Mexiko).