Erklärung des Düsseldorfer Bündnis:
Die Corona-Pandemie erschüttert unsere Gesellschaft. Sie bedroht unsere Gesundheit, wirkt ambivalent auf die Wirtschaft und verschärft die soziale Ungleichheit. Die Bundesregierung verhinderte mit Überbrückungshilfen und einem Konjunkturpaket einen wirtschaftlichen Kollaps. Tarifverträge und Mitbestimmung haben Einkommen stabilisiert und Arbeitsplätze gesichert. Der Sozialstaat konnte in der Krise einige Sicherheit geben. Millionenfache Kurzarbeit vereitelte Massenentlassungen.
Die Pandemie zeigt aber auch deutlich die Defizite des Sozialstaates. Viele Menschen, wie z.B. Geringverdiener*innen, Erwerbslose, Pflegebedürftige, Alleinerziehende u.a. traf die Krise mit voller Wucht. Hier treten die Folgen einer Politik der Privatisierung, der Deregulierung, der Spar- und Kürzungspolitik sowie der Steuerpolitik zugunsten der Unternehmen und Vermögenden der vergangenen 30 Jahre schonungslos zu Tage: Pflegenotstand, auf Gewinn getrimmte Krankenhäuser, Ausweitung des Niedriglohnsektors, Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit, zunehmend unbezahlbare Wohnungen, mangelnde personelle Ausstattung von Kommunen, Kitas und Schulen, Investitionsstaus in der kommunalen und sozialen Infrastruktur, Schwächung der Sozialsysteme sowie Umverteilung von unten nach oben.
Gleichzeitig sind wir, als Folge einer natur- und umweltzerstörenden Wirtschafts- und Lebensweise, auf dem Weg in eine Klimakatastrophe und Umweltzerstörung existenziellen Ausmaßes. Daraus resultiert die Notwendigkeit einer nachhaltigen ökologischen, sozialen und fairen Wende. Die politischen Beschlüsse und Maßnahmen der nächsten 10 Jahre werden darüber entscheiden, ob wir eine Klimakatastrophe und nicht mehr rückholbare Umweltzerstörungen verhindern können. Das gilt global für die gesamte Welt, international für Staatenbünde wie die EU, national für die Staaten und auch lokal für Gemeinden und Städte.
Wir fordern eine konsequente Politik für eine ökologische und sozial gerechte Gesellschaft für alle!
Ein Umdenken und sofortiges Handeln in Politik und Wirtschaft ist ganz offensichtlich unerlässlich im Hinblick auf eine ökologische und gleichzeitig sozial gerechte Gesellschaft für alle Bürgerinnen und Bürger, in unserem Land und weltweit. Es gilt den Sozialstaat zu erhalten, auszubauen, krisenfest zu gestalten und in unserem Land erlebbar zu machen.
Aus diesem Grund fordern wir massive Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft, um den Sozialstaat nicht weiterhin zu schwächen, sondern zu stärken. Um der entwürdigenden Praxis vieler Maßnahmen bei der Grundsicherung zu entgehen, müssen die Regelsätze der Grundsicherung und verwandter Leistungen auf ein bedarfsdeckendes Niveau angehoben und ein Kindergrundeinkommen eingeführt werden, weil es nicht hinnehmbar ist, dass fast drei Millionen Kinder in unserem Land in Armut leben oder von Armut bedroht sind.
Zur Absicherung der Sozialsysteme sollte die Bürgerkrankenversicherung und Rentenversicherungs-pflicht für alle eingeführt werden. Die Beitragsbemessungsgrenzen müssen erhöht werden und Kapitaleinkünfte sowie die Produktivität („Maschinensteuer“) zur Finanzierung herangezogen werden.
Gesellschaftliche Solidarität ist wichtiger denn je!
Darüber hinaus hat die Corona-Krise den vorhandenen riesigen Investitionsstau klar erkennbar gemacht. Für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, für die Gestaltung einer sozial gerechten Gesellschaft und für die sozial-ökologische Umgestaltung der Wirtschaft müssen in den kommenden Jahren zusätzlich Milliarden-Beträge aufgebracht werden.
Wir fordern massive Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft in Verbindung mit der Stärkung des Sozialstaates!
Der Bund benötigt zwischen 50 bis 100 Mrd. Euro pro Jahr in den nächsten zehn Jahren, um den aufgelaufenen Investitionsstau abzubauen. Und der Investitionsstau allein in Gemeinden und Städten hat sich inzwischen auf mehr als 149 Milliarden Euro angehäuft. Wir brauchen dringend Investitionen für Klima- und Umweltschutz, Gesundheit, Bildung und Erziehung, Digitalisierung, bezahlbares Wohnen, Infrastruktur, öffentliche Dienstleistungen und mehr Personal.
Dennoch will die neue Bundesregierung die Schuldenbremse ab 2023 wieder einführen, die sich in der Praxis als Investitions- und Zukunftsbremse entpuppt hat. Dabei liegen die Staatsschulden in Deutschland bei international nur sehr niedrigen 71% Anteil am Sozialprodukt. Weil die Schuldenbremse auch zukünftig azu führt, dass notwendige soziale, kulturelle und ökologische Ausgaben sogar gekürzt werden müssten, um krisenbedingte Schulden zu tilgen, muss sie abgeschafft oder zumindest reformiert werden.
Die Schuldenbremse wirkt schädlich im Zusammenhang mit einer unfairen und ungerechten Steuerpolitik. Zwischen 1998 und 2015 wurden die reichsten 30 % der Bevölkerung steuerlich entlastet, während die anderen 70% im Endeffekt höher belastet wurden. Bei Vermögen und hohen Erbschaften ist Deutschland eine Steueroase. Diese Steuerpolitik führte dazu, dass der private Reichtum von inzwischen 14 Billionen Euro konzentriert in wenigen Händen ist. So besitzen die Reichsten 10% der Bevölkerung 66% dieses Vermögens. Große Vermögen, sehr hohe Einkommen, Erbschaften und Unternehmensgewinne tragen zu wenig zur Finanzierung des Gemeinwesens bei.
Hinzu kommt das, was durch Steuerhinterziehung, - betrug und -umgehung von Unternehmen und Vermögenden an Steuereinnahmen entzogen wird (lt.
EU-Kommission jährlich über 100 Milliarden €).
Um die Zukunftsaufgaben zu schultern, um die nötigen Investitionsmittel zu erhalten brauchen wir eine gerechte Steuerpolitik: Topverdiener*innen und extrem Reiche sowie gewinnstarke Unternehmen müssen zukünftig angemessen, d.h. stärker besteuert werden, insbesondere durch die Wiederbelebung der Vermögenssteuer und eine wirksame Erbschaftsteuer, die die vielen Ausnahmen für große Erbschaften abschafft. Gleichzeitig profitieren große Unternehmen von umwelt- und klimaschädlichenS ubventionen in Milliardenhöhe. Diese müssen abgebaut werden und die Einnahmen aus der CO²- Steuer jeder Person in derselben Höhe zurückgezahlt werden.
Wir fordern eine Reform von der Schuldenbremse, höhere Steuern für Topverdiener*innen und extrem Reiche, eine konsequente Verfolgung von
Steuerflucht und -umgehung sowie den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen, um gesellschaftlich erforderliche Veränderungen
finanzieren zu können!
Wir können die Zukunft im Land und in den Städten lebenswerter gestalten und ein besseres, sozial und ökologisch gerechtes Land für alle schaffen. Dazu müssen wir den Reichtum durch eine faire Steuerpolitik gerecht verteilen und Gemeinwohl vor Profit stellen. Für die Stadtpolitik in Düsseldorf erwarten wir deshalb, dass bei den Haushaltsberatungen nicht nur einseitig auf Aufgabenkürzungen gesetzt wird, um absehbare Defizite zu vermeiden, sondern dass der Oberbürgermeister und der Stadtrat Initiativen gegenüber dem Land NRW und gegenüber der Bundesregierung ergreifen, dass die Steuergesetzgebung
wirksam reformiert wird, so dass die Einnahmeseite des Haushaltes der Stadt Düsseldorf gestärkt werden kann, und damit notwendige Mittel für mehr Investitionen z.B. für deutlich mehr bezahlbare Wohnungen und eine Klima- und Verkehrswende gewonnen werden.
Düsseldorf, den 15. Dezember 2021
Attac Düsseldorf, AWO Düsseldorf, Altstadt-Armenküche Düsseldorf, DGB-Stadtverband Düsseldorf, Düsseldorfer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus, EVG Düsseldorf, GdP Kreisgruppe Düsseldorf, GEW Stadtverband Düsseldorf, IG BAU Bezirksverband Düsseldorf, IGBCE Bezirk Düsseldorf, IG Metall Düsseldorf-Neuss, KAB Stadtverband Düsseldorf, NGG Düsseldorf-Wuppertal, Mieterverein Düsseldorf e.V./Deutscher Mieterbund, NaturFreunde Düsseldorf, Paritätischer Wohlfahrtsverband Düsseldorf, SoVD Kreisverband Düsseldorf, ver.di Bezirk Düssel-Rhein-Wupper